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Rundschreiben V/2022

|   2022

In regelmäßiger Abfolge möchten wir Sie über Gesetzgebungsverfahren im Steuerrecht und ausgewählte Entscheidungen speziell der Finanzgerichte sowie über Anweisungen der Finanzverwaltung informieren.

 

Die Informationen sind sorgfältig aus verlässlichen Quellen herausgesucht und bearbeitet. Gleichwohl kann weder eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit noch irgendeine Haftung übernommen werden. Die Nutzung der angebotenen Informationen erfolgt auf eigenes Risiko.

 

Hinweise und Tipps haben lediglich allgemeinen Charakter und sind in jeder Hinsicht unverbindlich. Sie können eine konkrete Einzelfallberatung nicht ersetzen. Sprechen Sie uns bei Interesse gerne an.

I. Wichtige Steuer- und Sozialversicherungstermine

10.06.2022:

  • Einkommensteuer
  • Körperschaftsteuer
  • Lohnsteuer
  • Kirchensteuer
  • Umsatzsteuer

24.06.2022:

  • Sozialversicherung

 

Die Schonfrist für die am 10.06.2022 fälligen Steuern endet am 13.06.2022.

Für die Sozialversicherungsbeiträge gilt grundsätzlich, dass diese als Datensatz am fünftletzten Bankarbeitstag den Krankenkassen vorliegen und spätestens am drittletzten Bankarbeitstag gutgeschrieben sein müssen.

Der drittletzte Bankarbeitstag für die späteste Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge im Monat Juni 2022 ist der 28.06.2022.

11.07.2022:

  • Lohnsteuer
  • Kirchensteuer
  • Umsatzsteuer

25.07.2022:

  • Sozialversicherung

 

Die Schonfrist für die am 11.07.2022 fälligen Steuern endet am 14.07.2022.

Für die Sozialversicherungsbeiträge gilt grundsätzlich, dass diese als Datensatz am fünftletzten Bankarbeitstag den Krankenkassen vorliegen und spätestens am drittletzten Bankarbeitstag gutgeschrieben sein müssen.

Der drittletzte Bankarbeitstag für die späteste Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge im Monat Juli 2022 ist der 27.07.2022.

II. Aus der Gesetzgebung

Der Deutsche Bundestag hat in 2. und 3. Lesung am 20.05.2022 den Regierungsentwurf mit kleineren Änderungen angenommen. Die Verabschiedung durch den Bundesrat ist für den 20.06.2022 geplant.

Wir haben über den Regierungsentwurf im Rundschreiben II/2022 berichtet.

Im ursprünglichen Gesetzesentwurf war vorgesehen, dass nur solche coronabedingten Sonderzahlungen von der Steuer befreit werden sollten, die aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen geleistet werden. Diese Voraussetzung wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen. In der Folge sind auch freiwillige Leistungen des Arbeitgebers begünstigt. Zudem wurde der begünstigte Personenkreis erweitert. Damit kann die Steuerfreiheit auch für Sonderzahlungen an Beschäftigte in Einrichtungen für ambulantes Operieren, bestimmte Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie für Rettungsdienste in Anspruch genommen werden. Schließlich wurde der ursprünglich höchstmöglich steuerfrei auszahlbare Betrag von € 3.000 auf € 4.500 angehoben.

Im Gesetzgebungsverfahren neu aufgenommen wurde, dass vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase die Regelungen zur bilanzsteuerlichen Abzinsung von Verbindlichkeiten in nach dem 31.12.2022 endenden Wirtschaftsjahren (§ 6 Abs. 3 EStG) aufgehoben werden. Dies betrifft Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als 12 Monaten. Der Ausweis in der Steuerbilanz hat mit dem Nennwert zu erfolgen. Soweit eine Verbindlichkeit bereits in dem vorangegangenen Wirtschafsjahr passiviert wurde, ergibt sich eine Gewinnminderung in der Höhe des bisherigen Abzinsungsvolumens.

Das Abzinsungsgebot für Rückstellungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG (5,5 % Abzinsung) bleibt dagegen unverändert bestehen.

Der Bundestag hat am 12.05.2022 das Steuerentlastungsgesetz 2022 verabschiedet. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 20.05.2022 zugestimmt. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurden zusätzliche Maßnahmen aus dem zweiten Entlastungspaket der Bundesregierung aufgenommen.

Energiepreispauschale (EPP)

Anspruch auf die Energiepreispauschale (EPP) in Höhe von € 300 (neue §§ 112 ff. AO) haben aktiv tätige Erwerbspersonen. Gemeint sind damit unbeschränkt Steuerpflichtige, die im Veranlagungszeitraum 2022 Einkünfte aus § 13 EStG (Landwirtschaft), § 15 EStG (Gewerbebetrieb), § 18 EStG (freiberufliche Tätigkeit) oder § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (nichtselbständige Arbeit) erzielen. Der Anspruch auf die EPP entsteht dabei am 01.09.2022 und wird grundsätzlich mit der Einkommensteuerveranlagung festgesetzt.

Arbeitnehmer, die dem Lohnsteuerabzug unterliegen, erhalten die Energiepreispauschale vom Arbeitgeber. Dies setzt folglich voraus, dass

  • der Arbeitnehmer in einem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis steht und
  • in eine der Steuerklassen 1 bis 5 eingereiht ist oder nach § 40a Abs. 2 EStG pauschal besteuerten Arbeitslohn bezieht (in diesem Fall hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber schriftlich zu bestätigen, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt)
  • und der Arbeitgeber eine Lohnsteuer-Anmeldung abgibt.

Die Arbeitgeber haben hierbei die Energiepreispauschale gesondert vom Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer abzuziehen, die

  • in den Fällen des § 41a Abs. 2 Satz 1 EStG (monatlicher Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum) bis zum 10.09.2022,
  • in den Fällen des § 41a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG (Kalendervierteljahr) bis zum 10.10.2022 und
  • in den Fällen des § 41a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG (Kalenderjahr) bis zum 10.01.2023 anzumelden und abzuführen ist.

Übersteigt die insgesamt zu gewährende EPP den Betrag, der insgesamt an Lohnsteuer abzuführen ist, wird der übersteigende Betrag dem Arbeitgeber von dem Finanzamt, an das die Lohnsteuer abzuführen ist, aus den Einnahmen der Lohnsteuer ersetzt.

Der Arbeitgeber kann in den Fällen des § 41a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG (Kalendervierteljahresanmeldungen) die EPP an den Arbeitnehmer abweichend von Abs. 2 Satz 1 im Oktober 2022 auszahlen. In den Fällen des § 41a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG (Kalenderjahresanmeldungen) kann er auf die Auszahlung verzichten.

Ist eine Einkommensteuer-Vorauszahlung für Einkünfte aus §§ 13, 15 oder 18 EStG für den 10.09.2022 festgesetzt worden, dann ist diese Festsetzung um die EPP zu mindern. Die EPP ist steuerpflichtig und wird mit dem individuellen Steuersatz besteuert. Zusätzlich fallen bei Kirchenzugehörigkeit Kirchensteuer und in jedem Fall Solidaritätszuschlag an.

Bei Anspruchsberechtigten, die im Veranlagungszeitraum 2022 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt haben, ist die EPP als Einnahme nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für den Veranlagungszeitraum 2022 zu berücksichtigen. Dies gilt nicht für pauschal besteuerten Arbeitslohn nach § 40a EStG. Im Lohnsteuerabzugsverfahren ist die EPP bei der Berechnung einer Vorsorgepauschale nach § 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. a bis c EStG nicht zu berücksichtigen.

Bei den übrigen Anspruchsberechtigten, die nicht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, gilt die Energiepreispauschale als Einnahme nach § 22 Nr. 3 EStG (Einkünfte aus Leistungen, die nicht einer Einkunftsart zugerechnet werden können) für den Veranlagungszeitraum 2022. Die Freigrenze nach § 22 Nr. 3 Satz 2 EStG (€ 256) ist nicht anzuwenden.

Die EPP ist bei einkommensabhängigen Sozialleistungen nicht als Einkommen anzurechnen.

Keine EEP erhalten Empfänger von Versorgungsbezügen (insbesondere Beamtenpensionäre) sowie Rentner und Bezieher von ausschließlich sonstigen Einkünften.

Kinderbonus

Familien erhalten zur Abfederung besonderer Härten für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld einen Einmalbonus in Höhe von € 100 über die Familienkassen (§ 66 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG). Der Anspruch auf den Kinderbonus 2022 besteht für jedes Kind, für das im Monat Juli 2022 ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Kinder, für die im Juli 2022 kein Anspruch auf Kindergeld besteht, werden ebenfalls berücksichtigt, wenn für sie in einem anderen Monat des Jahres 2022 ein Kindergeldanspruch besteht.

Der Bonus wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet. Die Zahlung erfolgt ab Juli 2022.

Höhere Entfernungspauschale

Aufgrund der angestiegenen Treibstoffkosten soll die am 01.01.2024 anstehende Erhöhung der Pauschale für Fernpendler (ab dem 21. Entfernungskilometer) vorgezogen werden. Sie beträgt rückwirkend zum 01.01.2022 € 0,38 (§ 9 Abs. 1 Satz 3 EStG). Diese Erhöhung ab dem 21. Entfernungskilometer gilt bis einschließlich 2026. Die derzeitige Pauschale beträgt bis zum 20. Kilometer € 0,30 und ab dem 21. Kilometer € 0,35.

Mit Inkrafttreten dieser Regelung kann im darauffolgenden Monat auch die Anpassung eines Freibetrags im Lohnsteuerabzugsverfahren beantragt werden. Die höhere Entfernungspauschale wirkt sich aber wegen des zeitgleich erhöhten Arbeitnehmer-Pauschbetrags nur insoweit aus, als der Erhöhungsbetrag den Betrag von € 200 überschreitet. Die Anhebung der Entfernungspauschale für Steuerpflichtige mit doppelter Haushaltsführung wird vorgezogen und gilt bereits ab dem Jahr 2022.

Im Hinblick auf die ökologischen Belange wurde auf Betreiben der Grünen vereinbart, noch in dieser Legislaturperiode eine Neuordnung der Entfernungspauschale zu schaffen. Die ökologisch-sozialen Belange sollen verbessert Berücksichtigung finden.

Höherer Arbeitnehmer-Pauschbetrag

Die Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags um € 200, der rückwirkend zum Jahresbeginn auf € 1.200 festgesetzt wurde (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a. EStG), soll auch Nicht-Pendler entlasten.

Höherer Grundfreibetrag

Der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer steigt rückwirkend zum 01.01.2022 von derzeit € 9.984 um € 363 EUR auf € 10.347 (§ 32a Abs. 1 EStG).

Eine entsprechende Erhöhung des Höchstbetrags für den Abzug von Unterhaltsleistungen auf € 10.347 (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG) ist im Gesetz nicht vorgesehen. Dies wäre in einer weiteren Gesetzesinitiative ggf. noch nachzuholen.

Rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs 2022

Die Anhebung des Grundfreibetrags und des Arbeitnehmerpauschbetrags schlägt unmittelbar auf die Höhe der Lohnsteuer, des Solidaritätszuschlags und ggf. der Kirchensteuer durch. Folglich ist der bisher in 2022 vorgenommene Lohnsteuerabzug vom Arbeitgeber grundsätzlich zu korrigieren, wenn ihm dies – wie im Regelfall wohl anzunehmen – wirtschaftlich zumutbar ist (§ 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG).

Wie die Neuberechnung zu erfolgen hat, ist nach der Gesetzesbegründung nicht zwingend festgelegt. Sie kann demnach

  • durch eine Neuberechnung zurückliegender Lohnzahlungszeiträume,
  • durch eine Differenzberechnung für diese Lohnzahlungszeiträume oder
  • durch eine Erstattung im Rahmen der Berechnung der Lohnsteuer für einen demnächst fälligen sonstigen Bezug erfolgen.

Technisch soll die Änderung des Lohnsteuerabzugs mit der Aufstellung geänderter Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug 2022 einhergehen. Die Finanzverwaltung soll nach Verabschiedung dieses Änderungsgesetzes entsprechende Programmablaufpläne aufstellen und bekanntmachen.

Die rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs wird sich nicht auf einen vor Verkündung dieses Änderungsgesetzes gebildeten Faktor (§ 39f EStG) auswirken. Dieser behält weiter seine Gültigkeit, längstens bis Ende 2023 (s. § 39f Abs. 1 Satz 9 EStG).

Das Bundeskabinett hat am 27.04.2022 die Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Änderung des Energiesteuerrechts zur temporären Absenkung der Energiesteuer für Kraftstoffe (Energiesteuersenkungsgesetz) beschlossen (siehe zum Referentenentwurf unser Rundschreiben IV/2022). Darin ist für die Monate Juni bis August vorgesehen, die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das Europäische Mindestmaß abzusenken.

Der entsprechende Gesetzesbeschluss wurde vom Bundestag am 19.05.2022 getroffen. Die entsprechende Billigung durch den Bundesrat erfolgte bereits am 20.05.2022.

Die Steuerentlastung für Benzin beträgt damit € 0,2955 je Liter, für Diesel € 0,1404 je Liter. Für Erdgas beläuft sich die Steuerentlastung auf € 4,54/MWh und für Flüssiggas wird sie sich auf € 238,94/1.000 kg belaufen.

Nach dem Bundestag hat am 20.05.2022 auch der Bundesrat den „Gesetzentwurf zur Regelung eines Sofortzuschlages für Kinder und einer Einmalzahlung an erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme aus Anlass der COVID-19-Pandemie" zugestimmt. Der Sofortzuschlag von monatlich 20 Euro pro Kind soll danach zum 01.07.2022 eingeführt werden. Die Bundesregierung hatte den Gesetzentwurf im Monat März 2022 auf den Weg gebracht. Ziel ist es, die Chancen für Kinder und Jugendliche zu verbessern, bis die Kindergrundsicherung als Unterstützung umgesetzt wird.

Den Sofortzuschlag sollen von Armut betroffene Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erhalten können, die Anspruch haben auf:

  • Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II oder SGB XII);
  • Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz;
  • Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt
  • oder für die Kinderzuschlag bezogen wird.

Der Bundesrat hat, nachdem am 19.05.2022 der Bundestag das Gesetz verabschiedet hatte, am 20.05.2022 dem Gesetz zur Finanzierung des sog. 9-Euro-Tickets zugestimmt.

In den Monaten Juni, Juli und August 2022 können Bürgerinnen und Bürger damit für jeweils € 9,00 den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Damit soll die Bevölkerung von den stark steigenden Kosten für Strom, Lebensmittel, Heizung und Mobilität entlastet und ein Anreiz zum Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr und zur Einsparung von Kraftstoffen geschaffen werden. Für die konkrete Ausgestaltung des ermäßigten Tickets sind die Länder und Kommunen zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich der öffentliche Personennahverkehr steht.

Das Gesetz soll am 01.06.2022 in Kraft treten.

Ebenfalls am 20.05.2022 hat der Bundesrat einen Bundestagsbeschluss zur vorzeitigen Absenkung der EEG-Umlage gebilligt.

Zum 01.07.2022 sinkt die EEG-Umlage von bisher € 0,0372 pro Kilowattstunde auf Null. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass dadurch eine vierköpfige Familie im Vergleich zum Vorjahr um ca. € 300 entlastet wird. Die Stromanbieter sind verpflichtet, die Absenkung in vollem Umfang an die Endverbraucher weiterzugeben. Der Bund seinerseits wird den Unternehmen die Ausfälle in Höhe von rund € 6,6 Mrd. aus dem Sondervermögen Energie- und Klimafonds erstatten.

Das Gesetz soll zum 01.07.2022 in Kraft treten.

III. Aus der Rechtsprechung und der Steuerverwaltung

 

Nach dem BFH-Urteil vom 06.12.2021 – IX R 8/21, nv, ist der Begriff der Schuldzinsen nicht zivilrechtlich im engeren Sinne, sondern weit auszulegen. Zu den Schuldzinsen sind sämtliche Aufwendungen zur Erlangung oder Sicherung eines Kredits zu zählen. Hierzu gehören auch Nebenkosten der Darlehensaufnahme einschließlich der Geldbeschaffungskosten. Maßgeblich für die Abgrenzung ist die Zweckbestimmung der jeweiligen Aufwendungen, ein Darlehen zu erlangen oder zu sichern.

Anmerkung:

Im Urteilsfall hatte die ein Bauvorhaben finanzierende Bank die Darlehensausreichung davon abhängig gemacht, dass ein Projektcontrollingvertrag geschlossen wird. Dieser Projektcontrollingvertrag mit einem dritten Unternehmen sah in der Präambel vor, dass das Projektcontrolling im Rahmen einer Finanzierung durch das Kreditinstitut erbracht wird. Der Leistungskatalog beinhaltete u.a. die Kontrolle der Einhaltung der Terminvorgaben und der Kostenermittlung sowie die Mitwirkung bei der Überprüfung beabsichtigter Änderungen im Hinblick auf Termin- und Kostenauswirkungen.

Während das Finanzamt die Aufwendungen den Herstellungskosten für die zu errichtenden Gebäude zuordnete, sah das angerufene Finanzgericht in den Aufwendungen Finanzierungskosten, da das Projektcontrolling durch die Bank im Zusammenhang mit der Finanzierung gefordert war. Zwar seien die Kosten grundsätzlich Herstellungskosten, aber durch das Verlangen der Bank käme es zu einer Umqualifizierung in Finanzierungskosten.

Der BFH entschied im Ergebnis wie das Finanzgericht, jedoch mit einer anderen Begründung. Es käme entgegen den Urteilsgründen des Finanzgerichts nicht darauf an, dass Aufwendungen zur Herstellung eines Gebäudes auf Verlangen des Kreditinstituts aufgewendet werden, um sie in Finanzierungskosten umzuqualifizieren. Entscheidend sei, dass die Aufwendungen des Projektcontrollings tatsächlich der Finanzierung des Bauvorhabens durch das Kreditinstitut dienen.

Vorbemerkung:

In Fällen der Zahlung von Entschädigungen im Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes kann es zu einer Zusammenballung von Einkünften kommen, die dazu führt, dass es aufgrund der Progressionssprünge zu erhöhten Einkommensteuerbelastungen kommt. In diesem Fall sieht § 34 Abs. 1 und 2 EStG vor, dass solche außerordentlichen Einkünfte als begünstigungsfähig angesehen werden. Die Versteuerung erfolgt dann nicht mit dem Tarifsteuersatz, sondern nach der 1/5-Methode mit dem fünffachen des steuerlichen Mehrbetrags, der auf ein Fünftel der Einkünfte entfällt.

Entscheidend im Zusammenhang mit sozialen Abfederungsprogrammen ist jedoch, dass die Entschädigung tatsächlich zu einer Zusammenballung von Einkünften führt. Eine Stückelung von Einkünften führt nicht zu begünstigungsfähigen Einkünften. Im Fall des BFH wurde eine Entlassungsabfindung gewährt. Darüber hinaus wurde dem Arbeitnehmer eine Zusatzabfindung zugesagt, wenn er nach der (befristeten) Beschäftigung in einer Transfergesellschaft eine weitere Beschäftigung in einer anderen Transfergesellschaft ausschlägt. Zudem sagte die Transfergesellschaft dem Arbeitnehmer eine Startprämie zu, wenn dieser das Beschäftigungsverhältnis bei der Transfergesellschaft kündigt, weil er bei einem neuen Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis aufnimmt.

Die Abfindung im Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes wurde dem Arbeitnehmer im Jahre 2015 ausgezahlt. Nach nur einem Monat der Beschäftigung in der Transfergesellschaft trat er eine neue Arbeitsstelle an und erhielt im Jahre 2016 sowohl die Zusatzabfindung als auch die Startprämie.

Strittig war, ob die 1/5-Regelung für die gewährten Leistungen in Betracht kommt.

Der BFH entschied mit Urteil vom 06.12.2021 – IX R 10/21, dass außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 und 2 EStG nur vorliegen können, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem einzigen Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung der Einkünfte erhöhte steuerliche Belastungen entstehen.

Eine einheitliche, in zwei aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen geleistete Entschädigungszahlung sei nicht ermäßigt zu besteuern. Dieses gelte dann jedoch nicht, wenn zwei oder mehr Entschädigungszahlungen in aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen nicht zum Ausgleich für dasselbe Schadensereignis, sondern für unterschiedliche Ereignisse gewährt würden. Eine einheitliche, in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ausgezahlte Entschädigung kann dagegen vorliegen, wenn alle Teilleistungen auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzuführen sind. Dies gilt nach dem BFH auch, wenn eine Teilentschädigung (Starterprämie) dafür geleistet wird, dass der Arbeitnehmer sein Beschäftigungs- und Qualifizierungsverhältnis bei der Transfergesellschaft vorzeitig kündigt, weil er bei einem anderen Arbeitgeber ein neues Beschäftigungsverhältnis begründet. Der BFH gab der Vorinstanz recht, die bereits die begünstigte Besteuerung der Abfindungszahlungen nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG versagt hatte.

Quintessenz:

Da im Urteilsfall sämtliche Zahlungen an den Arbeitnehmer in den Vereinbarungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses angelegt waren, sah der BFH für alle Zahlungen ein einheitliches schädigendes Ereignis als gegeben an. Die Auszahlung der Teilzahlungen in zwei Veranlagungszeiträumen war somit für die Anwendung des § 34 EStG schädlich.

Vorbemerkung:

Nach der gesetzlichen Fiktion in § 7 Abs. 7 ErbStG gilt als Schenkung an die verbleibenden Gesellschafter, wenn der Wert der Abfindung, die der ausscheidende Gesellschafter einer Personen- oder Kapitalgesellschaft erhält, hinter dem Wert seiner Beteiligung zurückbleibt und hierdurch im Fall einer Einziehung seines Geschäftsanteils die verbleibenden Gesellschafter in ihren Anteilen eine Werterhöhung erfahren.

Im nachstehend wiedergegebenen Urteilsfall wurde mit Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters dessen Geschäftsanteil eingezogen und ihm hierfür eine unter dem wahren Wert seiner Beteiligung liegender Wert in Raten ausgezahlt.

Finanzamt und Finanzgericht gingen von der Verwirklichung des Tatbestands des § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG aus. Der Kläger, einer der verbleibenden Gesellschafter, reklamierte, dass unter vorgenannte Vorschrift nur Zwangseinziehungen fielen, nicht jedoch freiwillige Einziehungen.

Der BFH hat mit Urteil vom 17.11.2021 – II R 21/20 entschieden, dass die Vorschrift des § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG jede Werterhöhung von Anteilen der verbleibenden Gesellschafter durch jegliche Einziehung von GmbH-Anteilen nach § 34 Abs. 1, 2 GmbHG erfasse und nicht nur auf Fälle der Zwangseinziehung von Anteilen beschränkt sei.

Mit BMF-Schreiben vom 20.05.2022 wurde der Umsatzsteuer-Anwendungserlass im Abschnitt 4.1.2 zur Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen geändert.

Bislang hat die Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, dass die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen davon abhängt, dass die betreffende Zusammenfassende Meldung (ZM) fristgerecht eingereicht oder fristgerecht berichtigt wird. Hiervon rückt das BMF mit vorstehend genanntem Schreiben ab. Die Steuerbefreiung ist folglich nicht mehr von einer fristgerechten ZM abhängig und ist in allen Fällen rückwirkend zu gewähren, wenn erstmals eine vollständige und richtige ZM vorliegt. Die neuen Grundsätze des BMF-Schreibens sind erstmals auf innergemeinschaftliche Lieferungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2019 bewirkt werden.

IV. Aus anderen Rechtsgebieten

Nach dem Urteil des Kammergerichts Berlin vom 28.04.2022 – 2 U 39/18 ist der Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet, fortlaufend die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu beobachten und eine wirtschaftliche Selbstkontrolle durchzuführen sowie die notwendige betriebliche Organisation einzurichten und vorzuhalten. Soweit ihm die Fachkunde fehlt, muss er sich professioneller Beratung bedienen und deren Empfehlungen wiederum auf Plausibilität überprüfen.

Anmerkung:

Im Urteilsfall stellte der Senat des Kammergerichts klar, dass sich der Geschäftsführer einer konzernzugehörigen GmbH nicht zu seiner Haftungsentlastung für nach Insolvenzreife geleistete Zahlungen auf ein Anwaltsgutachten stützen konnte, das das Vorliegen von Insolvenztatbeständen allein ausgehend von einer konzernbezogenen Betrachtung ausgeschlossen hatte. Es fehlte an einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle dieser Insolvenzbegutachtung durch den Geschäftsführer.

Nach der Pressemitteilung vom 03.05.2022 hat die Bundesregierung am 08.04.2022 einen finanziellen Schutzschirm für Unternehmen auf den Weg gebracht, der diese bei den wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine entlasten soll.

Mit Datum vom 03.05.2022 hat das BMF über erste Umsetzungsschritte des Hilfsprogramms unterrichtet: Seit dem 29.04.2022 gelten die Erweiterungen bei den Bund-Länder- Bürgschaftsprogrammen. Anträge können gestellt werden, die beihilferechtliche Genehmigung hat die EU-Kommission am 04.05.2022 erteilt.

Das KfW-Kreditprogramm („KfW-Sonderprogramm UBR 2022“) ist am 09.05.2022 gestartet, befristet bis zum 31.12.2022. Unternehmen aller Größenklassen und Branchen erhalten Zugang zu zinsgünstigen Krediten mit weitgehender Haftungsfreistellung der Hausbanken. Zusätzlich wird eine Konsortialfinanzierungsvariante mit substanzieller Risikoübernahme angeboten. Für Investitions- und Betriebsmittelkredite gewährt die KfW den Hausbanken eine 80%ige Haftungsfreistellung für Kredite an mittelständische Unternehmen (bis max. 500 Mio. € Jahresumsatz) und 70%ige Haftungsfreistellung für Kredite an große Unternehmen. Eckpunkte sind auf den BMF-Internetseiten veröffentlicht.

Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 19.01.2022 – 7 U 2659/20 gilt das allgemeine Verbot für Gesellschafter einer OHG, mit der Gesellschaft in Wettbewerb zu treten (§ 112 HGB), nicht für die Gesellschafter einer GbR.

Anmerkung:

Schlicht eine Konkurrenztätigkeit durch einen Gesellschafter aufzunehmen, rechtfertigt nach Ansicht des Gerichts noch keine Untersagung. Jedoch darf ein zur Geschäftsführung befugter Gesellschafter nicht Geschäftschancen aus dem Geschäftsbereich der Gesellschaft an sich ziehen, die der Gesellschaft aufgrund bestimmter Umstände bereits zugeordnet sind. Das wäre etwa dann der Fall, wenn der Gesellschafter für die Gesellschaft schon Vertragsverhandlungen geführt hatte.

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